Der direkte Vertrieb von Waren durch die produzierenden Unternehmen ist eigentlich kein neues Phänomen. Im Gegenteil: Er ist ein wesentliches Merkmal einfacher, lokaler Wirtschaftskreisläufe und insofern die ursprünglichste Form des Warenvertriebs, beispielsweise auf Bauern- und Viehmärkten. Mit der zunehmenden Produktionssteigerung, der Spezialisierung der Produktion und der Komplexität der Produkte ist es allerdings erforderlich neue, überregionale Märkte und Käuferschichten zu erschließen, um den Absatz zu sichern und Kosten zu decken. In jedem komplexeren Wirtschaftssystem nehmen deshalb Handels- und Distributionsstrukturen eine wichtige Rolle ein, indem sie Angebot und Nachfrage zusammenführen. In der jüngeren Vergangenheit nutzten daher nur wenige Unternehmen den Direktvertrieb als einzigen Absatzkanal, während der Vertrieb über etablierte Handelsstrukturen eher die Regel war. Dieses Verhältnis hat sich auch durch die Digitalisierung des Handels zunächst nicht wesentlich geändert. Im Gegenteil: Onlineshops und ganz besonders Handelsplattformen wie OTTO, Zalando und natürlich Amazon haben durch ihre Marktmacht im Onlinebereich die Position des Handels gegenüber dem produzierenden Gewerbe weiter gestärkt. Seit einigen Jahren deutet sich aber im Onlinehandel ein Wandel an, der durch die Einschränkungen des Einzelhandels in der Corona-Krise zusätzlichen Schwung aufgenommen hat. Viele Händler*innen haben die Krise zum Anlass genommen, in den E-Commerce einzusteigen. Gleichzeitig erlebt die Idee des Direktvertriebs eine digitale Wiedergeburt: Neue D2C-Brands nutzen innovative digitale Vertriebs- und Marketingkanäle, um unmittelbar mit ihren Endkund*innen in Kontakt zu treten und auch etablierte Produktionsunternehmen und Marken entdecken zunehmend die Möglichkeiten digitaler D2C-Modelle.
Handelsumfrage von ibi research, Dezember 2020
*Vgl.: Elisabeth Rung, Sabine Pur, Dr. Ernst Stahl, Nils Deichner: „Der Handel im Jahr 2021. Lehren und Folgen aus der Corona-Pandemie für den deutschen Einzelhandel“, Hrsg.:ibi research an der Universität Regensburg GmbH, Regensburg, 2020.
D2C: Vorteil durch Kundennähe
Die D2C-Vermarktung der eigenen Produkte hat für Unternehmen, die in der Herstellung tätig sind auf den ersten Blick vor allem den Vorteil, dass Gewinnmargen nicht mit dem Handel geteilt werden müssen. Im D2C-Handel können Produkte so günstiger angeboten werden und es kann bei gleichem Umsatz ein höherer Gewinn erzielt werden. Allerdings ist der D2C-Vertrieb für Unternehmen auch mit neuen Herausforderungen verbunden; beispielsweise in den Bereichen Logistik und Fulfillment: Die Produkte müssen einzeln verpackt werden und Verbraucher*innen wünschen sich eine schnelle Lieferung inklusive Sendungsverfolgung.
Der digitale Direktvertrieb hat für Betriebe, die Konsumgüter herstellen aber noch zwei weitere, ganz entscheidende Vorteile: Wissen und Kontrolle. Durch den unmittelbaren Kundenkontakt gewinnen Unternehmen im D2C wertvolle Informationen über Ihre Kund*innen und haben gleichzeitig die volle Kontrolle darüber, wie und wo ihre Produkte und ihre Marke präsentiert werden. Diese beiden Aspekte sind für die erfolgreiche Marktpositionierung und die kundenzentrierte Weiterentwicklung der eigenen Produkte von unschätzbarem strategischen Wert. Im neuen, digitalen Direktvertrieb kommt es deshalb wesentlich darauf an, die richtigen Tools einzusetzen, um nicht nur kanalübergreifend Produkte anzubieten, sondern auch an den unterschiedlichsten Touchpoints mit den eigenen Kund*innen zu kommunizieren und ihr Feedback zu nutzen.
Customer Centricity & Product Experience
In der E-Commerce-Branche ist die Kundenzentrierung – oder Customer Centricity – in den letzten Jahren sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich immer stärker in den Fokus gerückt. Überzeugende Informations- und Serviceangebote spielen heute eine kaum zu überschätzende Rolle für die Kundengewinnung und die Kundenbindung, da Kund*innen online problemlos Angebote vergleichen können und schnell den günstigsten Preis finden. Eine gute Produktpräsentation bzw. Product Experience, nützliche Contentangebote und umfassende Produktinformationen sind deshalb unverzichtbare Assets, um Kund*innen zu gewinnen und zu binden. Unternehmen, die ihre Produkte direkt online vertreiben möchten, haben hier gegenüber dem Handel einen großen Vorteil: Sie kennen ihre Produkte besser als jede Händler*in und können diesen Wissensvorsprung nutzen, um ihren Kund*innen optimale Informations-, Beratungs- und Serviceangebote zu machen.
Diesen Vorsprung zu nutzen war noch nie so einfach wie heute: Moderne E-Commerce-Systeme wie Shopware 6 oder Spryker ermöglichen einen schnellen Eintritt in den Onlinehandel und bieten die Möglichkeit der problemlosen Skalierung digitaler Geschäftsmodelle. Neue D2C-Marken können so in sehr kurzer Zeit ihr Onlineangebot als MVP realisieren und dynamisch weiterentwickeln.
Die Entwicklung eines digitalen D2C-Angebots ist aber auch für etablierte Marken und Unternehmen attraktiv. Dabei muss der direkte digitale Absatzkanal nicht in Konkurrenz zu bestehenden Vertriebskanälen stehen, sondern kann diese im Rahmen einer Multichannel-Strategie ergänzen und sogar stärken. Indem Unternehmen Kundendaten und Feedback aus dem D2C nutzen, können sie ihre Produkte besser auf die Bedürfnisse ihrer Kund*innen abstimmen und gleichzeitig ihren Markenauftritt und die Product Experience kanalübergreifend verbessern.
D2C im Rahmen des Multichannel-Vertriebs
Während für den schnellen Einstieg in den D2C-Onlinehandel ein einfacher Webshop ausreicht, verlangen große Sortimente, komplexe Konfigurationsmöglichkeiten und Produktindividualisierungen oder der kanalübergreifende und internationale Onlinevertrieb, weitergehende digitale Lösungen. Die ideale Basis für eine effektive Multichannel-Vertriebs- und Marketingstrategie ist eine digitale Plattform, in der alle relevanten Systeme zusammengeführt werden können: Sogenannte Digital Experience Platforms (DXP) setzen auf eine flexible API-first-Softwarearchitektur und fungieren als konsequente, nutzerzentrierte Weiterentwicklung von Shop- und Content-Management-Systemen zu einer zentralen Plattform, um Produktinformationen, digitale Assets (bspw. Bilder und Videos), Content und Daten aus verschiedenen digitalen Quellen zu verwalten und für die unterschiedlichen digitalen und nicht-digitalen Kanäle und Touchpoints bereitzustellen.
Als Grundlage für eine moderne DXP können API-zentrierte E-Commerce-Systeme ebenso dienen wie Plattformlösungen, die die Datenverwaltung oder das Content Management in den Mittelpunkt stellen, wie beispielsweise die Digital Experience Platform von Pimcore oder eine ganz eigene Webplattform – bei basecom setzen wir bei der Entwicklung von individuellen Portallösungen auf das PHP-Framework Symfony. Welche Technologie im jeweiligen Einzelfall die richtige Lösung ist, hängt sehr stark von den Anforderungen ab, die an das Projekt gestellt werden. Am Beginn Ihres DXP-Projekts sollten deshalb unbedingt eine Anforderungsanalyse und eine eingehende Beratung stehen. So kann früh geklärt werden, welche Drittsysteme – ERP, PIM, CRM – angebunden oder eingerichtet werden müssen und über welche Kanäle und Touchpoints Sie Ihre Produkte vermarkten und vertreiben möchten. Im D2C-Bereich spielen beispielsweise soziale Medien wie Facebook oder Instagram eine wichtige Rolle, um mit den Kund*innen in Dialog zu treten. Gleichzeitig können Sie über Ihr Portal aber auch die Kommunikation mit bestehenden und zukünftigen Geschäftskund*innen digitalisieren und dadurch vereinfachen und verbessern.
Beispiele erfolgreicher D2C-Modelle
Auch wenn das Thema D2C erst seit relativ kurzer Zeit größere Aufmerksamkeit auf sich zieht, gibt es bereits eine ganze Reihe von Beispielen erfolgreicher D2C-Businesses. Als Frontrunner können hier junge Marken gelten, die sich auf den D2C-Vertrieb als einzigen Absatzkanal konzentrieren. Der Fokus liegt dabei oft auf einem innovativen Produkt (Nachhaltigkeit, Technologie), einem innovativen digitalen Interface (Konfigurator), oder der Disruption bestehender Märkte durch neue Vertriebsmethoden. Beispiele sind hier das Start-up AIR UP, Möbelmarken wie Tylco, Pickawood oder Mycs sowie die Matratzenmarke EMMA. Das Portal directbrands listet mehr als 1.000 deutsche D2C-Marken aus 60 Branchen auf.
Ein sehr informativer Artikel zum Thema D2C der beiden Initiatoren des Portals, Stefan Hövel und Ralph Hübner, wurde vor Kurzem im Shopware-Blog veröffentlicht.
Das der digitale Direktvertrieb aber nicht nur für Start-ups interessant ist, sondern auch für etablierte Marken, die ihre Produkte über unterschiedliche Kanäle vermarkten, zeigt das Beispiel Kärcher. Im Podcast Kassenzone spricht Christian May, CMO bei Kärcher, darüber, wie sich das Unternehmen durch eigene digitale Marketing- und Vertriebskanäle am Markt positioniert hat. Die Aspekte Kundennähe, Service und Kontrolle über die Darstellung der eigenen Produkte spielt dabei eine wesentliche Rolle, so May, während der Umsatzanteil des eigenen Onlineshops weniger entscheidend ist.
Andere Beispiele sind Adidas oder das Süßwarenunternehmen Haribo. Wie das Online-Magazin absatzwirtschaft.de berichtet, plant Adidas, den Umsatzanteil der eigenen Onlineshops und Markenstores bis 2025 auf 50 Prozent zu steigern. Dabei geht das Unternehmen davon aus, dass der Großteil (80 Prozent) des gesamten Umsatzzuwachses bis 2025 durch den Direktvertrieb erwirtschaftet wird. Der Umsatz im eigenen Onlinehandel soll verdoppelt werden. Der Ausbau des D2C-Bereichs bei Adidas steht im Zusammenhang einer Strategie, die die Konsument*innen stärker als zuvor in den Fokus nimmt. Das Marken- und Einkaufserlebnis soll sich dabei mit personalisierten Angeboten, direkten Interaktionsangeboten und digitalen Services an den Bedürfnissen der Kund*innen orientieren.
Einen anderen Schwerpunkt setzt offenbar der Weingummigigant aus Bonn: Haribo betreibt neben einem B2B-Onlineshop auch einen Webshop für Verbraucher*innen. Gummibärchenfans haben hier insbesondere die Möglichkeit, spezielle Artikel online zu bestellen, die im Einzelhandel nicht erhältlich sind. Dazu zählen beispielsweise Großpackungen sortenreiner Gummibärchen, Packungen mit personalisierten Labels, Produktneuheiten und Fanartikel. Außerdem werden ausländische Spezialitäten angeboten, die auf dem deutschen Markt sonst nicht zu finden sind. Im Vordergrund stehen hier ganz klar Aspekte von Marketing und Kundenbindung.
Die Ziele, die Unternehmen beim digitalen Direktvertrieb verfolgen, können also sehr unterschiedlich sein und hängen auch von den angebotenen Produkten ab. Eine gewöhnliche Tüte Gummibärchen online zu kaufen, dürfte schon aufgrund der verhältnismäßig hohen Versandkosten für die meisten Käufer*innen uninteressant sein. Bei hochpreisigen Artikeln wie Sportausrüstung oder Reinigungsgeräten, haben Hersteller*innen dagegen mehr Spielraum, trotz der Kosten die für den individuellen Versand entstehen, attraktive Angebote zu machen.
Wenn Sie mit Ihrem Unternehmen im digitalen Direktvertrieb aktiv werden möchten, sprechen Sie uns an! Wir beraten Sie gerne und finden gemeinsam mit Ihnen die richtige Lösung für Ihr Unternehmen.